Professor aus Berkeley mit der Karl-Ziegler-Gastprofessur der Kohlenforschung geehrt
Festvorlesung hielt spannende Katalysekonzepte und brandneue Einblicke zur politischen Gesinnung Karl Zieglers in seiner frühen Karriere bereit
Auch 50 Jahre nach seinem Tod ist die Erinnerung an den Ausnahmewissenschaftler Karl Ziegler, der das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung von 1948 bis 1969 leitete, wach. Grund dafür ist nicht zuletzt die Karl Ziegler Gastprofessur, die das Forschungsinstitut regelmäßig im Angedenken an den Erfinder der Ziegler-Katalysatoren und Pionier der Polymerchemie veranstaltet. In diesem Jahr besuchte der renommierte Katalyseforscher F. Dean Toste von der Universität von California, Berkeley, die Mülheimer Forschungsstätte und diskutierte seine Katalysekonzepte mit den Chemikerinnen und Chemikern.
Macht es mehr Sinn, spezifische Katalysatoren zu entwickeln, die möglichst effizient eine einzige Zielverbindung erzeugen können oder ist es strategisch empfehlenswerter, flexible Katalysatoren zu designen, die möglichst viele verschiedene Substrate wandeln können? Dies war eine der Fragen, die der portugiesischstämmige Karl-Ziegler Gastprofessor F. Dean Toste von der Universität von Kalifornien, Berkeley mit den Mülheimer Forschenden diskutierte. Sein Fazit: Es macht sehr viel Sinn, sich überhaupt mit Katalysatoren und ihrer Weiterentwicklung zu befassen, denn sie sind eine der wichtigsten Stellschrauben für chemische Prozesse.
In seinem Festvortrag sprach Toste über seine Forschungsergebnisse im Bereich der supramolekularen Katalyse. Mit der supramolekularen Katalyse versuchen Chemiker, das komplexe aktive Zentrum von Enzymen nachzuahmen und somit Wirkstoffe nach dem Vorbild der Natur herzustellen. Dean Toste warf die spannende Frage auf, ob das bewährte „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ der Katalyse dabei immer greifen muss, oder ob ein Katalysator nicht deutlich flexibler sei als ein Schloss. „Vielleicht ist ein Katalysator eher wie ein Orangennetz, in das man viele verschiedene Dinge hineinpacken kann, und welches sich von der Form her seinem Inhalt anpassen kann“, sagte Toste.
Das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung hatte den Gast aus Kalifornien als Karl-Ziegler Lecturer 2023 eingeladen, um ihn für seine besonderen Beiträge zur homogenen Katalyse und die Entwicklung sowie das Verständnis molekularer Katalysatoren – etwa für die Goldkatalyse – auszuzeichnen.
Neues zur Person Ziegler in der Einführung von Ferdi Schüth
In seiner Einführung warf Ferdi Schüth, geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, diesmal einen besonderen Blick auf den Namensgeber der Karl Ziegler Vorlesung, der das Institut von 1943 bis 1969 äußerst erfolgreich geleitet hatte. „Waren die politischen Gegebenheiten im Naziregime Grund dafür, dass Karl Ziegler nach Mülheim kam?“ Dieser Frage war der Leiter des Historischen Archivs der Kohlenforschung, Christoph Kießling, nachgegangen und hatte aufschlussreiche historische Belege gefunden, die Schüth nun den Gästen vorstellte. „Wenn wir uns die wissenschaftliche Karriere Karl Zieglers in den 1930er und 1940er Jahren ansehen, so fällt auf, dass er hätte früher Professor werden müssen. Die historischen Quellen belegen, dass Ziegler aufgrund seiner distanzierten Haltung zur NSDAP mehrere Professorenstellen nicht erhalten hatte. Die Entscheider wollten ihn aufgrund seines Ausnahmetalents in Deutschland halten, dennoch sollte er nicht zu viel Einfluss auf Studierende haben“, so Schüth, der entsprechende Orginal-Vermerke aus den Personalakten einer Deutschen Universität und aus Behördenkorrespondenz zeigte. „Ziegler, der für uns ein ausgesprochener wissenschaftlicher aber auch wirtschaftlicher Glücksfall war, wurde von den politischen Entscheidern aufgrund seiner Gesinnung nach Mülheim an das damals erste wissenschaftliche Institut im Ruhrgebiet „weggelobt“, so Schüth.
Die 33. Karl-Ziegler-Gastprofessur – drei Tage Austausch auf hohem Niveau
Der Besuch Dean Tostes als Karl Ziegler Gastprofessor umfasste drei Vorlesungen und viele Gelegenheiten, sich im persönlichen Gespräch oder beim gemeinsamen Barbecue auf dem Campus auszutauschen. Die öffentliche Festvorlesung war ein Höhepunkt, der Fachleute aus umliegenden Universitäten nach Mülheim anzog. Kein Wunder, denn die Liste der inzwischen 33 Chemikerinnen und Chemiker, die mit der Karl Ziegler Gastprofessur geehrt wurden, liest sich wie ein Who-is-who der Chemie und umfasst einige spätere Nobelpreisträger.
Die Auszeichnung ist mit 5000 Euro dotiert und nach dem Chemiker und Nobelpreisträger Karl Ziegler benannt, der Ehrenbürger der Stadt Mülheim an der Ruhr ist. Ziegler war von 1943 bis 1969 Direktor des Max-Planck-Institutes für Kohlenforschung und hat in seiner Schaffenszeit herausragende wissenschaftliche Entdeckungen gemacht, wie zum Beispiel die einer neuen Klasse von Katalysatoren für die Polymerisation von Ethylen. Diese Entwicklung war für die industrielle Herstellung von Kunststoffen von herausragender Bedeutung und brachte Karl Ziegler 1963 den Nobelpreis ein.
Die Karl-Ziegler-Gastprofessur wurde nach dem Tode Zieglers 1978 von seiner Ehefrau und seiner Tochter ins Leben gerufen. Eine eigene Stiftung stellt Mittel dafür bereit, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt Gastvorträge an der Wirkungsstätte Zieglers halten können.