In Mülheim erfunden – in der Welt verbreitet
Die Fischer-Tropsch-Synthese feiert 100-jähriges und wird mit einem internationalen Kongress in Mülheim gewürdigt
Wissenschaft und Industrie zusammenbringen – das ist die Ziel der DECHEMA, der Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., die nun anlässlich eines besonderen Jubiläums, zusammen mit dem MPI für Chemische Energiekonversion, dem MPI für Kohlenforschung und der Syngas Conference, eine große internationale Konferenz in Mülheim organisierte. Es galt eine chemische Reaktion zu feiern, die vor 100 Jahren am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung entdeckt wurde und heute relevanter ist denn je: die Fischer-Tropsch-Synthese.

Das von Institutsdirektor Franz Fischer und seinem Mitarbeiter Hans Tropsch in den 1920er Jahren entwickelte Verfahren diente seinerzeit der Herstellung flüssiger Treibstoffe aus Kohle. Es erwies sich jedoch als so grundlegend, dass die Reaktion über die vergangenen Dekaden immer wieder modifiziert und weltweit erfolgreich genutzt wurde. Im Zuge der Energiewende ist die Fischer-Tropsch-Synthese gar aktueller denn je, denn sie könnte verwendet werden, um beispielsweise die Luftfahrt oder den Schiffsverkehr klimaneutraler zu gestalten, Bereiche, die schwer elektrifizierbar sind. Die Konferenz beleuchtete all diese Aspekte und startete mit einem Blick in die Historie von Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung.
„Die Rohstoffbasis für die Fischer-Tropsch-Synthese hat sich über die Jahrzehnte verändert. War der Startpunkt die Kohle, ging es dann zum Erdöl, später zum Erdgas, bis heute zu Kohlenstoffquellen aus CO₂ oder Biomasse“, erklärte Ferdi Schüth. Der Chemiker nahm das Auditorium mit auf eine Zeitreise und schilderte die Situation in den 1920er-Jahren, als in der Chemie zwar schon erste grundlegende Prozesse wie das Haber-Bosch-Verfahren entdeckt worden waren, aber die Analytik noch in den Kinderschuhen steckte. „Es gab Vorläuferverfahren zur Herstellung von flüssigen Kohlenwasserstoffen, etwa von Paul Sabatier (1902) oder Mittasch-Pier-Winkler bei BASF (1913), die den Forschenden in Mülheim bekannt waren. Aber analytisch standen nur wenige Methoden zur Verfügung, um katalytische Prozesse effizient zu erforschen“, so Schüth. Unter diesen Bedingungen führten Franz Fischer und Hans Tropsch am Mülheimer Institut Experimente durch, die 1925 zum Durchbruch führten. Am 14. September 1925 wurde das Patent für die Fischer-Tropsch-Synthese angemeldet.
Die Fischer-Tropsch-Synthese über die Jahre - ein Prozess mit enormer Vielseitigkeit weltweit
In Deutschland entstanden nach der Patentierung Fischer-Tropsch-Produktionsanlagen, die bis zu einer Million Jahrestonnen Benzin produzierten. Wirtschaftlich bedeutender war in diesem Feld jedoch die Produktion mit dem Bergius-Pier-Verfahren. Die Fischer-Tropsch-Synthese wurde jedoch adaptiert und in Ländern wie Südafrika intensiv genutzt. So berichtete Denzil Moodley von der Firma Sasol aus Südafrika, wie sein Unternehmen die Synthese in neuen Reaktoren, mit neuen Quellen und neuen Katalysatoren über die vergangenen Jahre einsetzte, um Paraffine, Naphthene, Olefine und weitere Produkte herzustellen. Der Übergang zum Gas-to-Liquids-Verfahren habe dem Verfahren großen Aufwind gegeben, und jetzt sei die Einbindung erneuerbarer Energien das wohl wichtigste Thema der letzten Jahre, so Moodley.
Fischer-Tropsch für eine grüne Zukunft – entscheidend ist die Wirtschaftlichkeit
Walter Leitner, Direktor am MPI für Chemische Energiekonversion, unterstrich das Potenzial des Fischer-Tropsch-Prozesses für die Energiewende: „Im Fokus stehen nun Produkte wie E-Fuels, die mit erneuerbaren Energien hergestellt und zum Beispiel zum Antrieb von Schiffen und Flugzeugen eingesetzt werden können. Die Fischer-Tropsch-Synthese ist ideal, um E-Fuels aus Biomasse oder CO₂ – idealerweise aus Abgasen der Industrie – zu produzieren.“ Trotzdem sieht der Forscher noch viele offene Fragestellungen für die nächsten Jahre: Können wir mit Fischer-Tropsch E-Fuels wirtschaftlich produzieren? Wie lässt sich die Ausbeute am gewünschten Produkt optimal steuern, und können mögliche Nebenprodukte sinnvoll verwertet werden? Leitner zeigte auf, dass bei einer Abkehr von fossilen Quellen ganz neue Wertschöpfungsketten entstehen könnten. „Wir Chemiker können alle Prozesse für die Energiewende machen“, so Leitner. Aber für die Umsetzung brauchen alle Akteure – Investoren, Entwickler und Produzenten – verlässliche Rahmenbedingungen. Durchsetzen werde sich nur das, was am Ende auch wirtschaftlich ist.
„Auf dem Weg zum Energiesystem der Zukunft – lasst viele Blumen blühen“, meint Ferdi Schüth, „und die Fischer-Tropsch-Synthese ist eine davon.“ Dass die Reaktion Potenzial hat, das auch schon in den vergangenen 100 Jahren intensiv genutzt wurde, konnte die Tagung in Mülheim klar zeigen.

v. links: Dr. Andreas Förster (Geschäftsführung DECHEMA e.V.), Prof. Dr. Walter Leitner (Direktor Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion), Unni Olsbye (University of Oslo), Michael Clays (University of Cape Town, Südafrika), Prof. Dr. Ferdi Schüth (Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, Mülheim).