Über die anhaltende Relevanz von „nacktem Nickel“ in der nachhaltigen Katalyse

100. Geburtstag von Prof. Günther Wilke: Eine Hommage

10. April 2025

Zum 100. Geburtstag von Prof. Wilke inspirieren seine Nickelkatalyse-Arbeiten immer noch neue Entwicklungen in der nachhaltigen Katalyse an der Kohlenforschung, wie ligandenfreie Suzuki-Miyaura-Kupplungen.

2025 jährt sich der Geburtstag von Prof. Günther Wilke (1925–2016), dem ehemaligen Direktor des Max-Planck-Instituts für Kohlenforschung, zum hundertsten Mal. Wilke war ein visionärer Chemiker, dessen Arbeiten die metallorganische Nickelchemie entscheidend geprägt haben – mit spürbaren Auswirkungen, bis heute.

Geboren am 23. Februar 1925 in Heidelberg, begann Wilke seine wissenschaftliche Laufbahn unter Prof. Karl Freudenberg. 1951 schloss er seine Promotion über die Formaldehyd-abspaltenden Gruppen im Lignin ab. Noch im selben Jahr wechselte er an das Max-Planck-Institut für Kohlenforschung, wo er als wissenschaftlicher Assistent von Prof. Karl Ziegler tätig war und sich rasch als herausragender Forscher etablierte. Zu seinen frühen Erfolgen zählte die Cyclotrimerisierung von Butadien zu Cyclododeca-1,5,9-trien mithilfe von Ziegler-Katalysatoren auf Titan- und Nickelbasis – eine Reaktion, die später industrielle Bedeutung erlangte. Das Verfahren wurde im großtechnischen Maßstab zur Herstellung von Nylon-Derivaten wie Vestamid eingesetzt – jenem Kunststoff, aus dem die Fußballschuhe der deutschen Nationalmannschaft beim WM-Sieg 1974 bestanden.

Berühmtheit erlangte Wilke jedoch vor allem durch seine bahnbrechenden Arbeiten zur Chemie von „nackten Nickel“-Komplexen. 1962 isolierte er bei Untersuchungen zur Oligomerisierung von Butadien die hochreaktiven Ni(0)-Komplexe Ni(COD)₂ und Ni(t‐CDT). Insbesondere Ni(COD)₂ gilt bis heute als Standardquelle für Nickel(0) in der metallorganischen Chemie – dank seiner einzigartigen Eigenschaft, Olefin-Liganden leicht gegen andere, stärker koordinierende Liganden auszutauschen. Für die einzigartige Eigenschaft, Olefin-Liganden leicht gegen andere, stärker koordinierende Liganden auszutauschen prägte Wilke den Begriff des „nackten Nickels“ – ein revolutionäres Konzept in der Synthese und Anwendung von Übergangsmetallkomplexen. In den folgenden Jahren analysierte sein Team an der Kohlenforschung dieses Phänomen detailliert und entwickelte zahlreiche neue Ni(0)-Olefin-Komplexe und darauf basierende Reaktionen. Heute ist Wilkes Vermächtnis sowohl in der akademischen als auch in der industriellen Forschung fest verankert.

2019, fast 60 Jahre später knüpft die Arbeitsgruppe von Dr. Josep Cornellà am MPI Kohlenforschung an Wilkes Ideen an. Sie entwickelte eine Reihe luftstabiler Vorstufen für Ni(0)-Katalysatoren der Form Ni(Rstb)₃. Diese Komplexe gelten als Meilenstein: sie ermöglichen Reaktionen mit Nickel(0), ohne dass der Luftsauerstoff ausgeschlossen werden muss. Die Verbindungen sind inzwischen kommerziell erhältlich und fester Bestandteil des Werkzeugkastens vieler Chemikerinnen und Chemiker – auch in anderen aktuellen Arbeiten, etwa in der Syntheseforschung von Prof. Alois Fürstner an der Kohlenforschung.

Inspiriert vom Konzept des „nackten Nickels“ entwickelte ein Team um Dr. Cornellà nun ein neues katalytisches Verfahren zur Knüpfung von Heteroaryl-Heteroaryl-Bindungen. Mithilfe der luftstabilen Ni(Rstb)₃-Katalysatoren gelang erstmals eine Suzuki-Miyaura-Kupplung zwischen Heteroaryl-Boronsäuren und Heteroaryl-Bromiden – ohne zusätzliche Liganden. Gerade in diesem Bereich ist die Nickelkatalyse besonders herausfordernd und bislang nur eingeschränkt möglich. Das Verfahren erlaubt den Zugang zu einer Vielzahl funktionalisierter Heterobiaryle – darunter auch medizinisch relevante Verbindungen. Besonders bemerkenswert ist der Verzicht auf σ-donierende Liganden, die bei Kupplungsreaktionen normalerweise als unverzichtbar gelten. Damit stellt die Arbeit einen Paradigmenwechsel in der Katalysatorentwicklung dar – und ist zugleich ein lebendiges Beispiel dafür, wie Wilkes Konzept des „nackten Nickels“ bis heute neue Wege eröffnet.

Aktuelle Publikation

Rakan Saeb, Byeongdo Roh, and Josep Cornella, "“Naked Nickel”-Catalyzed Heteroaryl–Heteroaryl Suzuki–Miyaura Coupling," Angewandte Chemie International Edition , e202424051 (2025).

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